Das Foto strahlt auf den ersten Blick Sinnlichkeit aus und bewahrt die inti me Atmosphäre eines Boudoirs. Jedoch, bei genauerem Hinsehen, fällt der unauff ällige blaue Faden zwischen den Oberschenkeln des Mädchens ins Auge. Dieses bescheidene Element ändert radikal den Ton, indem es anstatt der Betonung der Att rakti vität die Grenzen zwischen Sinnlichkeit und der rohen Wahrheit der Körperlichkeit verschwimmen lässt.

Der Faden wird, obwohl subti l, zu einem absoluten Werkzeug, das plötzlich die Sexualität entzieht. Der Übergang von der Vorstellung von üppiger Schönheit zu einem rebellischen Element zielt darauf ab, die Erwartungen dieses Fotogenres herauszufordern. Es ist wie der kontrasti erende metallische Geschmack von Kirschen auf einem zarten süßen Kuchen, der unerwartete Gefühle hervorruft und zur Refl exion anregt.

Im historischen Kontext bezieht sich dieses Bild auf die anti ke Feier der Menstruati on als Geschenk, einen Moment, der Frauen in geheimnisvolle Riten vereinte. Leider haben der Lauf der Zeit und patriarchale soziale Strukturen diese urtümliche Magie beflecktund den natürlichen Zyklus in ein Tabu verwandelt.

Heutzutage bleibt die Menstruati on in der europäischen Kultur von Scham umgeben, verstärkt durch Werbung, die sie als etwas darstellt, das versteckt werden sollte. Dieses Bild spricht nicht nur muti g das Thema der Körperlichkeit an, sondern regt auch zur Refl exion über die historische Last und das zeitgenössische Tabu im Zusammenhang mit der Menstruati on an.

Kamila J Gruss
01/5/2022 Słupsk