Oblivion
Das, was wir in unserem Geist bewahren, formt unsere Identität – ohne Erinnerungen ist es schwer zu bestimmen, wer wir wirklich sind. Die Serie „Oblivion“ ist ein Versuch, die Erfahrung des Verlusts eines Teils seiner selbst und das Gefühl einer verschwommenen Existenz visuell einzufangen.
Vor sieben Jahren wurde bei mir ein Hirntumor diagnostiziert, der meine Fähigkeit, mich an die Vergangenheit zu erinnern, langfristig beeinträchtigte. Ich verlor fünfzehn Jahre meines Lebens, und an ihrer Stelle blieben nur Fragmente – flackernde, unvollständige Bilder, die mein Verstand durch Konfabulationen zu rekonstruieren versuchte, indem er Elemente hinzufügte, die nie existiert hatten. Dieses Gefühl lässt sich schwer in Worte fassen, daher drücke ich es durch Bilder aus.
Jedes Porträt zeigt einen anderen Teil einer Person – nichts ist vollständig erkennbar. Was wir sehen, ist nur ein Ausschnitt, ein schwer fassbares Spiegelbild von etwas, das nicht mehr vollständig zugänglich ist.
Das Gesicht, das ich fotografiere, ist nicht mein eigenes – und das ist eine bewusste Entscheidung. Der Verlust der eigenen Identität geht mit einem Gefühl der Entfremdung vom eigenen Körper einher, mit Momenten, in denen das Spiegelbild zu jemand anderem zu gehören scheint. Ich wollte diesen Zustand vermitteln – das Gefühl der Distanz zu sich selbst. Eine andere Person wurde zum Medium meiner Geschichte, denn wenn die Vergangenheit im Geist verblasst, könnten wir genauso gut in einer fremden Haut existieren.
Diese Serie wurde auch von den Erinnerungen an meine Großmutter inspiriert, die an Alzheimer litt. Ich erinnere mich, wie sie vor dem Spiegel stand und sich selbst nicht erkannte – sie wusste nicht, wer die Person war, die sie ansah. Dieses Bild hat sich für immer in mein Bewusstsein eingebrannt und wurde Teil meiner eigenen Suche nach einer Antwort auf die Frage: Was bleibt von einem Menschen, wenn sein Bewusstsein für die Vergangenheit schwindet?
Existieren wir noch, wenn wir keinen Zugang mehr zu unseren eigenen Erinnerungen haben? Und wenn ja, wo – im Herzen, im Geist, in unseren Gesten? „Oblivion“ ist eine Reflexion über eine Existenz, die zwischen dem, was war, und dem, was sich in eine undefinierbare Leere aufgelöst hat, schwebt.
Kamila J Gruss
02.02.2025 Słupsk